Allgemeines über den Morbus Bechterew und die Behandlung mit dem TNF α Blocker

Haufigkeit und Zeitpunkt des Auftretens von Morbus Bechterew
(Ankylosierende Spondylitis, Spondylitis Ankylosans)

Etwa jeder zweihundertste Bundesburger leidet unter dem Vollbild eines Morbus Bechterew. Rein rechnerisch waren somit ca. 400.000 Menschen in Deutschland betroffen. Un-gefahr 800.000 Patienten sind von einer Spondylarthropa-thie, d.h. einer entzundlichen Erkrankung der Wirbelsaule und der peripheren Gelenke betroffen, wie z.B. Morbus Bechterew, reaktive Arthritis, Psoriasisarthritis.
Der Morbus Bechterew beginnt meist im jungen Erwachsenenalter und tritt haufiger bei Mannern auf. In der Regel ist ein typisches genetisches Merkmal zu finden (HLA-B27).

Erkennung der Erkrankung

Nicht bei jedem Ruckenschmerz handelt es sich um einen Morbus Bechterew. Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule und der Gelenke, vor allem bei alteren Menschen, sind sehr oftauch auf Verschleißerscheinungen zurückzuführen. Hierbei handelt es sich oft um so genannte Arthrosen im Bereich der Gelenke bzw. Verknöcherungen mit altersbedingten Fehlstellungen im Bereich der Wirbelsäule. Aber auch bei jüngeren Menschen kommt es häufiger zu ähnlichen Be-schwerden im Bereich der Wirbelsäule. Diese können oft auf funktionelle Ursachen infolge von schlechter Haltung, z.B. am Arbeitsplatz, oder auch auf zu wenig Bewegung und sportliche Betatigung zurückgeführt werden. Der Morbus Bechterew hingegen ist eine chronisch entziindliche Wirbelsäulenerkrankung.

Der Erkrankungsmechanismus

Die eigentliche Ursache für den Morbus Bechterew ist nochunklar. Man geht heute davon aus, dass die Erkrankung ähnlich wie die rheumatoide Arthritis- auf einer Fehlsteuerung des Immunsystems beruht, bei der körpereigene Zellen angegriffen werden. Man bezeichnet den Morbus Bechterew daher als Autoimmunkrankheit (autos, griechisch = selbst).
Aus noch nicht bekannten Gründen richten sich dabei die Abwehrzellen, die eigentlich eingedrungene Krankheitserreger abfangen sollen, vor allem gegen die körpereigenen Kreuzdarmbein- und Wirbelgelenke sowie andere Gewebe,wie z.B. die Regenbogenhaut des Auges. Dadurch werden in den betroffenen Strukturen Entzündungsreaktionen ausgelöst, die auf Dauer zur Verformung und Versteifung, wie z.B. der Wirbelsäule, führen können.
Seit einigen Jahren kennt man die Vorgänge, die sich bei der dauerhaften, also chronischen Entzündung bei Morbus Bechterew abspielen.
Warum sich aber das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen richtet, ist bis heute noch nicht vollständig aufgeklärt.
Im Normalfall werden Krankheitskeime oder Fremdstoffe,die in den Körper eintreten, von den weißen Blutkörperchen,

Der Morbus Bechterew zeigt folgende Besonderheiten
  Es sind etwa 3-mal soviele Männer wie Frauen, besonders jüngeren Alters,betroffen.
  Diese weisen oft einen bestimmten genetischen Marker (HLA-B27) auf.
  Es sind vorwiegend die Wirbelsäule und die Kreuzdarmbeingelenke betroffen
  Das Organ, welches ausserhalb der Wirbelsäulee und der Gelenke hauptsächlich  entzündlich mitbetroffen sein kann, ist die Regenbogenhaut des Auges (Iritis)
  Häufig beklagte Allgemeinbeschwerden sind Müdigkeit und Abgeschlagenheit.
  Bei langem,chronioschen Verlauf der Erkrankung kommt es häufig zu einer
  Versteifung der Wirbelsäule und einem entsprechenden Funktionsverlust sowie einer für den Morbus Bechterew typischen Körperhaltung

den Abwehrzellen des Körpers, erkannt. Aktivierte Lymphozyten starten eine komplizierte Vernichtungsaktion, in deren Folge die Eindringlinge zerstört werden. Beim Morbus Bechterew verwechseln die Lymphozyten nun körpereigenes Gewebe und körpereigene Zellen mit körperfremden Krankheitserregern. Die vermeintlichen »Feinde«, welche die Ab-wehrzellen aktivieren, sind nun Strukturen des eigenen Körpers, vor allem Knorpel und Knochen. Um für den Kampf besser gewappnet zu sein, vermehren sich die Lymphozyten und locken ihrerseits Makrophagen (Fresszellen) an. Diese wandern zur Verstärkung der Abwehr aus dem Blut an den Ort des Geschehens, nämlich in den Bereich von Knorpel und Knochengewebe sowie in Gelenke (z.B. in das Kreuzdarmbeingelenk).
Die aktivierten Fresszellen bilden nun ihrerseits verschiedene Botenstoffe, so genannte Zytokine, die wie ein Magnet auf andere Entzündungszellen wirken. Jetzt kommt es in der Folge zum Generalangriff auf die betroffenen Strukturen. Das Fatale daran ist, die Lymphozyten bemerken ihren Irrtum nicht, so dass der Entzündungsprozess wie eine Kettenreaktion immer wieder aufs Neue angeheizt wird und bestehen bleibt, also »chronisch« wird. Man bezeichnet den Morbus Bechterew daher auch als chronisch entzündliche Wirbelsäulenerkrankung.

Das Zytokin, das im Entzündungsvorgang eine ganz zentrale Rolle spielt, ist der Tumornekrosefaktoralpha oder kurz TNF α.
Sein Name wird seinen vielfältigen Aufgaben jedoch nicht gerecht. TNFα spielt bei jeder Art von Entzündung eine wichtige Rolle. Allerdings wurde er zum ersten Mal im Zusammenhang mit Tumoren beschrieben.

Die Folgen der chronischen Entzündung

Die in den Bereich der Zielstrukturen wie Gelenke, Knorpe und Knochen eingewanderten Entzündungszellen führen im Zusammenspiel mit den freigesetzten Botenstoffen zu einer chronischen Entzündung. Vor allem sind die Wirbel- und Kreuzdarmbeingelenke betroffen. Hierdurch werden Knorpel und Knochen anhaltend geschädigt und es kommt im Verlauf als Reaktion auf die Entzündung zu einer schrittweisen Versteifung der Gelenke (Ankylose). Die Bezeichnung als ankylosierende Spondylitis gab der Erkrankung auch ihren Namen.

Der Botenstoff Tumornekrosefaktor alpha (TNFα) spielt eine zentrale Rolle

Bei der Unterstützung der Lymphozyten im Kampf gegenden vermeintlichen Feind spielen Botenstoffe eine entscheidende Rolle. Sie erfüllen sowohl unter gesunden Bedingungen als auch im Krankheitsfall wichtige »Briefträgerfunktionen«. Sie geben nämlich Informationen von einer Zelle zur anderen weiter und lösen dadurch bestimmte Vorgänge am Zielort aus. So regen einige Botenstoffe beispielsweise die Zellen zur Teilung an, andere stimulieren die Zellen des Abwehrsystems.
Bei entzündlichen Vorgängen, wie z.B. beim Morbus Bechterew, kommt es durch die Aktivierung der Entzündungszellen zu einem Überschuss an Botenstoffen, die zu der Gruppe der so genannten Zytokine gehören. Der Tumornekrosefaktor alpha (TNFα) ist einer von ihnen und nimmt dabei ein Schlüsselstellung ein. TNFα wird vor allem von aktivierte Fresszellen (Makrophagen), aber auch von T-Lymphozyte gebildet. Wie in einem Teufelskreis regt TNFα zudem weitere Abwehrzellen an, immer neuen TNFα zu produzieren, womit die Entzündung in Gang gehalten und intensiviert wird TNFα kann also als erster Dominostein bezeichnet werden,der, einmal angestoßen, alle weiteren Steine im Rahmen der Kettenreaktion einer Entzündung nacheinander umfallen lässt.
Bei Patienten mit Morbus Bechterew konnte in den Kreuzdarmbeingelenken eine besonders hohe TNFα-Konzetration nachgewiesen werden. Dies belegt, dass der Botenstoff in unmittelbarer Umgebung des Krankheitsgeschehens aktiv ist und eine zentrale Rolle spielt. Er ist also wesentlich mit dafür verantwortlich zu machen, dass z. B. die Wirbelsäule durch den chronischen Entzündungsprozess infolge von Versteifung funktionsunfähig wird.

Die Behandlungsmöglichkeiten

Die Erkenntnisse über die Vorgänge bei chronisch entzündlich verlaufenden rheumatischen Erkrankungen wie der Morbus Bechterew bildeten den Schlüssel für die Entwicklung neuer, gezielt wirkender Medikamente. Sie schalten überschüssige und somit schädlich wirkende Botenstoffe aus und bringen so die entzündliche Kettenreaktion zum Stillstand.
Infliximab (TNFα-Antikörper) fängt den entzündungsfördernden Botenstoff TNFα ab.Da diese Medikamente körpereigenen, natürlichen Eiweißstoffen nachempfunden wurden, bezeichnet man sie auch als
Biologika (engl. Biologicals) oder biologische Substanzen.
Sie sind das Produkt intensiver biotechnologischer Forschung und haben nichts mit Naturheilkunde oder alternativen Behandlungsverfahren zu tun.
Zu diesen neuen biologischen Medikamenten gehören auch Substanzen, die sich speziell gegen den Tumornekrosefaktor alpha (TNFα) richten. Sie werden daher auch als TNFα-Blocker bezeichnet (z. B. Antikörper gegen TNFα, die aus speziellen Eiweißstoffen bestehen).
Ein solcher TNFα-Antikörper ist Infliximab, der Wirkstoff des Medikamentes Remicade®, das TNFα gezielt blockiert. Remicade® hat sich vor der Behandlung von Patienten mit Morbus Bechterew bereits bei Morbus Crohn, einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung, und der rheumatoiden Arthritis bewährt. Es ist hierfür seit 1999 bzw. 2000 als Therapiemöglichkeit zugelassen.